Wien – die Stadt der Musik, des Kaffees und leider auch des täglichen Staus. Obwohl die Wiener Öffis zu den besten der Welt gehören, ist das Mobilitätsproblem allgegenwärtig. Verstopfte Straßen, Parkplatznot, Lärm und Luftverschmutzung gehören längst zum Alltag. Während das Jahresticket der Wiener Linien mit 365 Euro im Jahr schon ein Schritt in die richtige Richtung war, reicht das alleine nicht aus. Es braucht mehr Mut und vor allem: mehr Fairness.
Warum ein 1-Euro-Tagesticket Sinn macht
Stell dir vor: Jeder Mensch in Wien – egal ob Tourist:in, Pendler:in oder Gelegenheitsfahrer:in – könnte für 1 Euro am Tag die gesamten Öffis nutzen. Keine komplizierten Tarife, kein Kopfzerbrechen, ob sich eine Wochen- oder Monatskarte lohnt. Einfach einsteigen, 1 Euro zahlen, und los geht’s.
Die Vorteile liegen auf der Hand:
- Attraktiver für Spontanfahrer:innen: Viele, die heute noch zögern, ob sie sich ein Ticket kaufen sollen oder lieber „kurz schwarzfahren“, würden bei einem Preis von 1 Euro gar nicht mehr überlegen.
- Weniger Schwarzfahren: Wenn ein Ticket so günstig ist, lohnt sich das Risiko nicht mehr. Die Einnahmen durch viele kleine Ticketkäufe würden die Verluste durch Schwarzfahren mehr als ausgleichen.
- Mehr Flexibilität: Nicht jede:r braucht ein Jahresticket. Viele Menschen fahren nur ab und zu Öffis – für diese Gruppe wäre ein 1-Euro-Tagesticket eine echte Einladung, das Auto stehenzulassen.
- Weniger Verkehr, bessere Luft: Wer Öffis günstig und unkompliziert nutzen kann, wird sein Auto öfter zu Hause lassen. Das entlastet Straßen, reduziert CO₂-Emissionen und macht die Stadt lebenswerter.
Die Fairness-Frage
Das aktuelle System bevorzugt Vielfahrer:innen – logisch, denn das Jahresticket rechnet sich nur, wenn du die Öffis regelmäßig nutzt. Gelegenheitsfahrer:innen zahlen hingegen oft unverhältnismäßig hohe Preise für Einzelfahrten oder Tagestickets. Das ist weder fair noch zeitgemäß.
Ein 1-Euro-Tagesticket würde die Chancengleichheit herstellen: Jede:r zahlt pro Nutzungstag das Gleiche, unabhängig davon, wie oft man fährt oder wie viele Stationen man zurücklegt.
Wirtschaftlich gesehen: eine Win-Win-Situation
Ja, die Tickets wären günstiger. Aber die Zahl der Ticketkäufe würde explodieren. Die Wiener Linien könnten mit einem höheren Fahrgastaufkommen und stabileren Einnahmen rechnen. Außerdem fallen Verwaltungskosten für komplizierte Tarifsysteme weg – einfacher heißt auch günstiger in der Abwicklung. Und: weniger Schwarzfahrer:innen bedeutet weniger Kontrollen, weniger Strafen, weniger Aufwand für Personal und Verwaltung.
Ein echtes Signal für die Zukunft
Mit einem mutigen Schritt wie „1 Tag, 1 Euro“ würde Wien ein starkes Zeichen setzen. Für Klimaschutz, soziale Fairness und moderne Mobilität. Gerade in Zeiten, in denen Nachhaltigkeit mehr als nur ein Schlagwort sein sollte, wäre so ein Angebot ein Vorzeigemodell für Städte auf der ganzen Welt.
Stell dir vor: Touristen erzählen begeistert, dass sie in Wien für 1 Euro am Tag überall hinkommen. Pendler:innen sparen bares Geld und gewinnen Lebensqualität. Bürger:innen spüren direkt, dass umweltfreundliches Verhalten belohnt wird – und nicht, wie so oft, bestraft oder teuer verkauft wird.
1 Tag, 1 Euro – alle happy. So einfach könnte die Lösung aussehen. Und manchmal sind es genau die einfachen Ideen, die eine Stadt wirklich verändern.
Danke für die Gedanken, ich stimme allerdings nicht zu, dass das aus verkehrlicher Sicht viel ändern würde.
Die Maßnahme wäre aus sozialer Sicht möglicherweise ein kleiner Fortschritt (für alle, die keine Jahreskarte oder keinen Mobilpass haben können), aber aus verkehrlicher Sicht würde es wenig bringen und die Einnahmen des Verkehrsverbunds (Öffis in Wien sind neben Wr Linien auch WLB, ÖBB, WB und Regionalbus) nicht explodieren lassen, sondern senken, weniger planbar machen (keine Kundenbindung) bzw. den Zuschussbedarf der Stadt für das Öffiangebot entsprechend weiter erhöhen. Warum ich das so sehe:
1. Wer sich ein Auto leisten kann, kann sich mit ganz wenigen Ausnahmen auch eine Jahreskarte leisten, auch wenn er/sie/they die nicht täglich nützt.
2. Die Jahreskarte verleitet eher dazu, ein Auto aufzugeben und somit die Verkehrswende zu beschleunigen (Kundenbindungseffekt), während günstige Tageskarten eher dazu verleiten, Öffis nur ab und zu nutzen und sonst ggf. ein Auto zu behalten.
3. Menschen, die oft das Rad nützen, aber dennoch eine Jahreskarte haben (wegen des Preisunterschieds zum Einzelfahrschein und aus Bequemlichkeit), würden dann nur mehr die Tageskarten kaufen, was die Einnahmen senkt.
4. Gratisöffis oder sehr günstige Kurzzeitkarten von Öffis führen Untersuchen zufolge oft vor allem zu einem Umsteig von Rad/Fuß auf Öffis. Das ist für einige wenige Menschen, für die erstere Verkehrsmittel nur beschwerlich nutzbar sind und diese nur aus Kostengründen genutzt haben, ein Vorteil, aber für die Umwelt und aus Gesundheitssicht (Bewegung) bedeutet es Stagnation oder sogar ein Rückschritt (weniger Bewegung und höhere Kosten durch Kapazitätsprobleme, die wiederum weniger Spielraum für Umstieg vom Auto schafft).
5. Die Quote an Fahrgästen ohne Fahrschein ist in Wien bereits sehr niedrig.
6. Die Verkehrswissenschaft hat schon mehrfach festgestellt, dass Pull-Maßnahmen wie Preissenkungen auf ein sehr niedriges Niveau viel weniger wirksam für einen Verkehrsmittelwechsel sind als Push-Maßnahmen wie Parkraumbewirtschaftung, höhere Auto-Parkgebühren, Auto-Fahrverbote durch Verkehrsberuhigung (mit mehr Platz für andere Verkehrsmodi) etc. Auch die vergünstigte Wiener Jahreskarte hat weniger Neufahrgäste zu den Öffis gebracht als oft gedacht (sie ist allerdings v.a. aus sozialer Sicht sehr wertvoll), während die Ausweitung der Parkraumbewirtschaft eine sehr spürbare Verschiebung der Verkehrsmittelwahl (hier im Pendlverkehr messbar) brachte. Wichtig wäre diesem Gedanken folgend aus meiner Sicht daher für Wien, das Öffiangebot so auszubauen, dass es mit der wachsenden Stadt mithält und dass auch bestehende Fahrgäste weiterhin genug Kapazität und Qualität vorfinden, weiters Radinfrastruktur zu forcieren, keine neue hochrangige Straßeninfrastruktur zu errichten und die immer noch beachtlich hohe Attraktivität des Autofahrens durch breite Straßen, viele Parkplätze und Garagenbaupflicht in Neubauten (jeweils zulasten von ausreichend Platz im Straßenraum für den Umweltverbund) zu dämpfen.