Ist Gendern in Zeiten des Rechtsrucks noch wichtig oder wichtiger als je zuvor?
In einer Zeit, in der rückwärtsgewandte politische Ideen auf dem Vormarsch sind, ist Gendern mehr als je zuvor ein Zeichen der Gleichstellung. Doch wie können wir diese Veränderung ohne Zwang erreichen? Ein Blick auf die Wichtigkeit einer inklusiven Sprache in Österreich.
Veröffentlicht: 02/05/25
Verfasst von:Daniel

In einer Zeit, in der politische Strömungen zunehmend die gesellschaftlichen Normen und Werte herausfordern, wo konservative Kräfte wie die FPÖ und ÖVP immer wieder versuchen auf die Vorstellung eines traditionellen Rollenmodells zurückgreifen, das Frauen in die Sphäre des „Zuhausebleibens“ und der Kindererziehung zwingt. Ein solches Konzept manifestierte sich etwa in der von der FPÖ, in den Regierungs-Bildungs-Gesprächen mit der ÖVP, angestoßenen Idee der sogenannten „Herdprämie“, die Frauen dazu anregen soll, ihre berufliche Tätigkeit aufzugeben und sich stattdessen ausschließlich um die Familie zu kümmern.

In einer Zeit, in der diese rückwärtsgewandten politischen Ideen zunehmend an Popularität gewinnen, wird es umso wichtiger, die Gleichstellung der Geschlechter auf allen Ebenen zu fördern – auch und gerade durch das Gendern in der Sprache.

Gendern als Akt der Widerstandskraft

Wenn wir heute über Gendern sprechen, dann geht es nicht nur darum, politisch korrekt zu sein oder ein symbolisches Zeichen der Inklusion zu setzen. Nein, es geht um viel mehr. Es geht um die Ablehnung von Rückschritten in einer Gesellschaft, die sich nach wie vor mit den grundlegenden Fragen der Gleichberechtigung auseinandersetzt. Es geht um das Streben nach einer Welt, in der Menschen nicht aufgrund ihres Geschlechts in vorgefertigte Rollen gedrängt werden.

Das Gendern ist ein Protest gegen jene Kräfte, die versuchen, Frauen wieder auf ihre „traditionellen“ Plätze zu verweisen – in die Rolle der „Hausfrau“ und „Mutter“. Wenn die FPÖ und ihre Unterstützer:innen solche Modelle wieder salonfähig machen wollen, ist es umso wichtiger, dass wir die Bedeutung der Gleichstellung betonen und auch sprachlich manifestieren. Das Gendern ist dabei nicht nur eine politische Haltung, sondern auch ein praktisches Werkzeug, um die Sichtbarkeit von Frauen und anderen Geschlechtern in allen Bereichen des Lebens zu erhöhen.

Die „Herdprämie“ als Rückkehr zu alten Rollenbildern

Die „Herdprämie“, ein Begriff, der für viele in Österreich einen bitteren Nachgeschmack hat, ist mehr als nur ein finanzielles Anreizmodell. Sie ist ein Ausdruck jener Ideologie, die Frauen in die Rolle der „Versorgerin des Hauses“ zurückdrängen möchte. Sie soll Frauen dazu anregen, sich in einem Rollenmuster zu wiederholen, das bereits längst als veraltet und gesellschaftlich destruktiv entlarvt wurde. Eine solche Prämie negiert den Fortschritt, den wir in den letzten Jahrzehnten im Bereich der Gleichstellung erreicht haben, und verweigert Frauen die Möglichkeit, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu gestalten – frei von den Fesseln patriarchaler Normen.

Genau deshalb ist das Gendern so wichtig. Es ist eine Art, aktiv zu widersprechen. Es ist ein Symbol für die Ablehnung dieser reaktionären Rückschritte. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass jede Form der Sprache Macht hat. Und indem wir darauf bestehen, dass unsere Sprache die Vielfalt der Geschlechter widerspiegelt, setzen wir uns für eine Gesellschaft ein, in der keine Person aufgrund ihres Geschlechts diskriminiert oder in eine bestimmte Rolle gepresst wird.

Es ärgert die FPÖ – und das ist gut so!

Die FPÖ, mit ihrer oft diffusen und überheblichen Haltung gegenüber der Gleichstellung der Geschlechter, hat in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, dass sie sich gegen die Fortschritte in Bezug auf Feminismus und Diversität wehrt. Das Gendern ist für sie ein rotes Tuch, das den Nerv ihrer Anhänger:innen trifft. Und genau das ist der Punkt! Es ärgert die FPÖ, weil es ihr Narrativ herausfordert. Es erinnert sie daran, dass es nicht nur eine konservative, patriarchale Sichtweise auf die Welt gibt. Es fordert ihre Vorstellung von „Tradition“ und „Ordnung“ heraus und zeigt, dass die Gesellschaft sich weiterentwickelt – und zwar in eine inklusivere Richtung.

Es ist fast schon ein kleiner Akt der Rebellion, der ihr Unbehagen auslöst. Ein Zeichen dafür, dass wir uns nicht in die Ideologien von gestern zurückdrängen lassen wollen. Dass wir den Mut haben, gegen jene Kräfte zu sprechen, die uns einengen und unsere Vielfalt leugnen.

Die Wahrheit über das „stärkere Geschlecht“

Ein weiterer Punkt, den wir nicht aus den Augen verlieren dürfen: Männer sind nicht das „stärkere“ Geschlecht. Und dieser Mythos muss endlich begraben werden. Männer, die diesen Ansatz vertreten, vergessen oder ignorieren eine einfache Tatsache: Wenn Männer schwanger werden könnten, wären sie das schwächste Lebewesen auf Erden. Die körperlichen und emotionalen Belastungen, die mit der Schwangerschaft und Geburt eines Kindes einhergehen, sind enorm. Doch es ist nicht nur der Körper, der im Zusammenhang mit der Erziehung von Kindern eine Rolle spielt, sondern auch das psychische Wohlbefinden, die Gesellschaft und die wirtschaftlichen Bedingungen, die Mütter und Väter beeinflussen.

Die Vorstellung, dass nur Männer die „Stärkeren“ sind, basiert auf einer jahrhundertealten, fehlerhaften und einschränkenden Weltanschauung. In Wahrheit sind es die Frauen, die die Gesellschaft zusammenhalten. Sie tragen nicht nur das Leben, sondern auch die Verantwortung, oft unter extrem belastenden Umständen. Ein solcher Beitrag wird durch den bloßen Akt des Genderns anerkannt – als Zeichen der Gleichwertigkeit und der Wertschätzung.

Doppelpunkt-Gendern tut am wenigsten weh

Ein praktischer Vorteil des Doppelpunkt-Genderns ist, dass es am wenigsten den Lesefluss stört. Anders als bei manch anderen Formen des Genderns, die oft den Textfluss unterbrechen oder die Lesbarkeit erschweren, bleibt bei der Verwendung des Doppelpunktes die Struktur des Satzes weitgehend unverändert. Der oder die Leser:in kann genau das „Geschlecht“ lesen, das für die jeweilige Situation oder für ihn/sie passend ist, ohne sich durch komplizierte Wendungen oder unnötige Ausschweifungen ablenken zu lassen. Diese Form des Genderns ermöglicht es, die Gleichstellung in die Sprache zu integrieren, ohne dass sie zu einer unnötigen Belastung für die Lesenden wird. Es ist ein feiner, aber bedeutender Schritt, der für mehr Inklusion sorgt, ohne die Kommunikation unnötig zu verkomplizieren – und genau das macht das Doppelpunkt-Gendern zu einer praktischen und effektiven Lösung.

Kein Zwang, sondern eine natürliche Entwicklung

Es ist mir wichtig zu betonen, dass wir mit einem Genderzwang nicht weiterkommen. Das Ziel sollte nicht sein, Menschen zu zwingen, eine bestimmte Sprache zu verwenden, sondern die Gesellschaft so zu sensibilisieren, dass das Gendern als Teil einer offenen, inklusiven Kultur ganz selbstverständlich wird. Gendern sollte fest in unseren Gesetzen verankert werden, um ein klares Zeichen für die Anerkennung aller Geschlechter zu setzen, aber der Weg dorthin muss ohne Zwang erfolgen. Niemand in Österreich sollte dazu gezwungen werden, diese Sprache sofort anzuwenden. Vielmehr sollte sich das Gendern über die kommenden Jahre hinweg organisch entwickeln – durch Aufklärung, Diskussion und ein wachsendes Bewusstsein. Zwang führt nur zu Widerstand und Ablehnung, während sich eine Gesellschaft, die freiwillig die Gleichberechtigung anerkennt und sich für sie einsetzt, langfristig viel stabiler und respektvoller entwickeln wird. Veränderungen in der Sprache brauchen Zeit, und der Wandel kann nicht von heute auf morgen durchgesetzt werden. Es ist ein schrittweiser Prozess, der mit Geduld und Verständnis gefördert werden sollte. Das wir heute im Stande sind, sinnbildende Sätze zu sprechen, enstand auch nicht von einem Tag auf den anderen.

Schlussfolgerung

Gendern ist in einer Zeit des Rechtsrucks mehr als nur ein politisches Statement. Es ist ein notwendiger Schritt, um der Unterdrückung und den alten Rollenbildern entgegenzutreten, die insbesondere von erzkonservativen Parteien wie der FPÖ und ÖVP wieder salonfähig gemacht werden sollen. Es ist ein Akt des Widerstands, ein Symbol für Gleichstellung und Anerkennung – für Frauen, für Menschen mit anderen Geschlechtern und für alle, die in einer inklusiveren Gesellschaft leben möchten.

Inmitten des aktuellen politischen Klimas ist es wichtiger denn je, die Bedeutung des Genderns zu erkennen. Es ist eine Weigerung, die Vergangenheit zu akzeptieren und eine Bestätigung dafür, dass Gleichstellung und Respekt in allen Bereichen der Gesellschaft, auch in unserer Sprache, Platz haben müssen. Wenn wir uns gegen solche rückwärtsgewandten Ideen wie die „Herdprämie“ stellen, dann tun wir das nicht nur politisch, sondern auch sprachlich – und genau das ist die Herausforderung, die wir annehmen müssen.

Daniel

Daniel, ein 80er-Jahrgang mit 90er-Jahre-Vibes aus dem Burgenland, hatte schon als Kind mehr Ideen, als die Tapeten Platz boten. Technologie fand er cooler als jedes Tamagotchi. Sein Plan: Die Welt ein bisschen bunter machen und dabei nicht auf zu viele Regeln achten.

verfasst von: <a href="https://offen-gesprochen.at/author/og_admin" target="_self">Daniel</a>

verfasst von: Daniel

veröffentlicht am: 2. Mai 2025

Daniel, ein 80er-Jahrgang mit 90er-Jahre-Vibes aus dem Burgenland, hatte schon als Kind mehr Ideen, als die Tapeten Platz boten. Technologie fand er cooler als jedes Tamagotchi. Sein Plan: Die Welt ein bisschen bunter machen und dabei nicht auf zu viele Regeln achten.

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