Du kennst sie sicher auch: diese hyperaktiven Reise-Influencer:innen, die dich mit großen Augen, noch größerem Lächeln und einer mitreißenden Energie begrüßen. Gleich nach dem „Hey ihr Lieben“ kommt dann auch schon der Clickbait: „Ich bin Business-Class nach Bali geflogen – für nur 250 Euro! Ich zeig dir wie!“
Was dann folgt, ist weniger ein Reisehack, sondern eher eine Neuauflage der Heizdecken-Verkaufsshows aus den 90ern. Früher war es ein Set aus Goldfaser-Decken und Vibrationsmatten mit Ferninfrarot-Therapie. Heute sind es „exklusive“ Punkte-Kreditkarten, Zeitungsabos mit Bonuspunkten und eine Art gamifizierter Wahnsinn rund um Meilen, Punkte und sogenannten Travel-Hacks.
Der Kreditkarten-Dschungel: Willkommen in der Punkte-Hölle
Die angeblichen Tricks dieser neuen „Reise-Profis“ laufen immer auf dasselbe hinaus: hol dir eine bestimmte Kreditkarte, am besten gleich die teuerste, für 600 bis 700 Euro Jahresgebühr – denn nur dann bekommst du zigtausend Startpunkte. Aber Achtung: diese Punkte verfallen, wenn du sie nicht rechtzeitig einlöst, oder die Bedingungen ändern sich und plötzlich sind doppelte Punkte doch nur halbe.
Damit nicht genug: jetzt sollst du bitte auch noch jedes Frühstücksbrötchen, jede Wasserflasche, jede Online-Bestellung und jeden Dönerteller mit dieser Karte zahlen. Denn nur so „maximierst“ du die Punkte. Und vielleicht noch ein Zeitungsabo für 50 Euro abschließen, damit du ein bisschen „Extrapunkte“ bekommst.
In Wahrheit landest du in einem Konsumstrudel, in dem du – ohne es zu merken – einfach mehr Geld ausgibst, nur um irgendwann eine Business-Class-Reise buchen zu können, die du dir sonst nie gegönnt hättest.
Das große Schweigen über die Refferal-Links
Und weil das alles noch nicht genug ist, kommt der nächste Zaubertrick: Referral-Links. Die Influencer:innen bieten dir natürlich einen „exklusiven Deal“, bei dem du „nur über diesen Link“ doppelte Punkte bekommst, oder ein super tolles Abo abschließen kannst, bei dem du x-fach Punkte zusätzlich bekommst.
Was sie aber meistens NICHT sagen: sie selbst kassieren dafür ordentlich ab. Jeder Klick, jede Registrierung, jede Kartenausstellung bringt ihnen neue Punkte, manchmal auch bares Geld. Und plötzlich wird aus dem ach so selbstlosen „Reise-Hack“ ein ziemlich lukratives Affiliate-Modell.
Sie fliegen also wirklich fast kostenlos – auf deine Kosten.
Der Preis der Punkte
Hier mal ein kleines Gedankenexperiment:
Du zahlst 600 € Jahresgebühr für eine Premium-Kreditkarte. Du gibst monatlich alles über diese Karte aus – sagen wir 1.000 €, um ordentlich Punkte zu sammeln. Dann machst du noch ein paar Käufe extra, nur wegen der Punkte, vielleicht ein paar Abo-Abschlüsse, eine Reisebuchung über den „Partnerlink“. Und irgendwann hast du dann 70.000 Punkte.
Damit bekommst du dann vielleicht einen Business-Class-Flug nach Bali. Statt 2.200 € zahlst du nur 600 € an Steuern und Gebühren. Klingt zunächst geil, oder?
Aber die Realität:
Du hast insgesamt über das Jahr vermutlich weit mehr als 600 € „umgeleitet“, ausgegeben oder verlagert, nur um ein Prestige-Erlebnis zu haben, das du dir schlicht nicht leisten würdest.
Die absurde Schere: Luxusflug + Sparurlaub
Und genau hier wird’s richtig bizarr:
Die gleichen Influencer:innen, die in der Lounge Champagner schlürfen und auf 180 Grad flachen Liegesitzen Bali anfliegen, erklären dir dann, wie du vor Ort mit 15 Euro am Tag auskommst.
Also: Business-Class hin, Backpacker-Budget vor Ort.
Sekt auf dem Flug, Instant-Nudeln in der Unterkunft.
Irgendwas stimmt da doch nicht, oder?
Fazit: Wenn du’s dir nicht leisten kannst, brauchst du’s auch nicht
Reisen ist ein Privileg. Und ja, wenn man clever ist, kann man sich mit ein paar Tricks ab und zu etwas gönnen. Aber wenn der Trick darin besteht, sich in ein System aus Konsum, Gebühren und Affiliate-Fallen zu verstricken, dann ist das kein Hack – das ist ein Marketing-Trick auf deine Kosten.
Diese angeblich „fast geschenkten“ Business-Class-Flüge sind nichts weiter als ein Verkaufsmodell mit Glamour-Filter. Und wer es sich wirklich leisten kann, braucht keine Punkte und keine Abos.
Wenn du dir also keine Business-Class leisten kannst – dann ist das kein Problem. Economy fliegt auch nach Bali. Und dort, wo du für 15 € am Tag leben kannst, brauchst du keinen 600 Euro Business-Class-Flug, um anzukommen. Sondern einfach ein bisschen Gelassenheit und die Freude am Reisen.
Denn das ist es, worum es beim Reisen eigentlich gehen sollte – nicht um den Sitzplatz im Flieger, sondern um das, was danach kommt.
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