Die Europäische Union – ein großer Binnenmarkt, eine gemeinsame Politik und für viele: eine gemeinsame Währung. Doch ein Blick auf die Landkarte zeigt: Nicht alle EU-Mitglieder zahlen mit dem Euro. Von den 27 Staaten haben aktuell nur 20 den Euro eingeführt, zuletzt Kroatien im Jahr 2023. Sieben Länder halten weiterhin an ihrer eigenen Währung fest – aus sehr unterschiedlichen Gründen.
In einer Zeit, in der Europa mit geopolitischen Spannungen, Inflation und politischen Richtungsdebatten kämpft, lohnt sich ein Blick hinter die Kulissen: Warum haben diese sieben Staaten den Euro bisher nicht eingeführt – und wollen sie das überhaupt?
Die Sieben, die (noch) draußen bleiben
Die aktuellen EU-Mitglieder ohne Euro sind:
Bulgarien, Dänemark, Polen, Rumänien, Schweden, Tschechien und Ungarn.
Dabei gibt es zwei große Gruppen:
- Länder, die verpflichtet sind, den Euro einzuführen, sobald sie die Kriterien erfüllen.
- Und ein Land mit einer offiziellen Ausnahmeregelung – Dänemark.
Alle anderen sieben haben sich vertraglich dazu verpflichtet, irgendwann den Euro einzuführen. Doch wann dieser „Irgendwann“-Moment kommt, ist offen – und bei einigen vielleicht gar nicht so bald.
Ein kurzer Überblick: Wer ist wie weit?
Land | Währung | Verpflichtung? | Euro geplant? | Öffentliche Meinung |
---|---|---|---|---|
Bulgarien | Lew (an Euro gekoppelt) | Ja | Angestrebt (ab 2025 möglich) | Gespalten: 49 % dafür |
Dänemark | Dänische Krone | Nein (Opt-out) | Nein, keine Pläne | Eher dagegen |
Polen | Złoty | Ja | Kein Datum, Regierung dagegen | Mehrheitlich skeptisch |
Rumänien | Leu | Ja | Angestrebt ab 2029 | Klare Mehrheit dafür (77 %) |
Schweden | Krone | Ja | Nur mit neuem Referendum | Zustimmung steigt leicht |
Tschechien | Krone | Ja | Kein Datum, Debatte läuft | Meinung kippt langsam |
Ungarn | Forint | Ja | Regierung blockiert | Mehrheitlich dafür (76 %) |
Ein Mix aus Wirtschaft, Politik und Identität
Wirtschaftliche Gründe:
Viele Länder erfüllen einfach bislang nicht die Euro-Kriterien: hohe Inflation, große Haushaltsdefizite, instabile Wechselkurse. Besonders Bulgarien, Rumänien und Ungarn kämpfen noch mit der Stabilität ihrer Staatsfinanzen. Gleichzeitig genießen Staaten wie Polen oder Schweden die Flexibilität ihrer eigenen Währung – besonders in Krisenzeiten.
Politische Gründe:
In vielen Ländern spielt die Souveränität eine große Rolle. Dänemark hat sich den Euro vertraglich ausbedungen – mit Erfolg. In Schweden sagte 2003 ein Referendum „Nein“ zum Euro. Polen und Ungarn wollen (oder wollten) den Euro nicht, solange ihre Volkswirtschaften nicht auf westlichem Niveau sind – oder solange politische Mehrheiten den Euro als Einmischung von Brüssel sehen.
Öffentliche Meinung:
Die Meinung der Bevölkerung ist entscheidend – und überraschend unterschiedlich. Während in Rumänien und Ungarneine klare Mehrheit den Euro will, sind Dänemark, Polen und Tschechien noch skeptisch. In Schweden kippt die Stimmung langsam – ein neuerliches Referendum wäre denkbar.
Und was heißt das nun?
Die Eurozone wird weiter wachsen, aber langsam. Bulgarien könnte bereits 2025 den Euro einführen – wenn die Inflation sinkt. Rumänien plant 2029. In Tschechien und Schweden läuft die Debatte wieder an. Bei Polen und Ungarn jedoch scheint die Euro-Frage tief politisiert – dort entscheidet nicht die Wirtschaft, sondern die Ideologie.
Dänemark bleibt der Sonderfall: wirtschaftlich längst im Euro, aber dank Volksabstimmung bewusst draußen – und das wohl noch lange.
Ein Währungsprojekt zwischen Realität und Vision
Die gemeinsame Währung war nie ein Selbstläufer. Der Euro steht für Integration, Stabilität – aber auch Abhängigkeit. Manche Länder zögern aus gutem Grund, andere aus Bequemlichkeit, manche aus ideologischer Überzeugung. Der Euro ist ein politisches Projekt – und als solches spiegelt es genau das wider, was die EU heute ausmacht: Einheit im Streit. Fortschritt mit Vorbehalt. Und ein bisschen Chaos mit Methode.
Ein detaillierterer Überblick über die Noch-Nicht Euro Länder
🇧🇬 Bulgarien
Wirtschaftliche Gründe: Bulgarien erfüllt noch nicht alle Maastricht-Kriterien, vor allem wegen hoher Inflation (2022: 13–15 %) und politischen Verzögerungen bei Reformen. Der Lew ist seit 1997 fest an den Euro gekoppelt und Bulgarien ist seit 2020 Teil des Wechselkursmechanismus II.
Politische Gründe und Meinung: Die Regierung unterstützt die Euro-Einführung, wird aber durch häufige Regierungswechsel gebremst. Die Bevölkerung ist gespalten: etwa 49 % sind dafür, 64 % befürchten Preissteigerungen. Dennoch erwarten 71 %, dass der Euro bald kommt.
Rechtlicher Status: Bulgarien ist verpflichtet, den Euro einzuführen, sobald alle Kriterien erfüllt sind. Ein Opt-out wie in Dänemark existiert nicht.
Aktuelle Entwicklung: Der ursprünglich geplante Termin 2024 wurde wegen Inflationsproblemen verschoben. Ein Beitritt ist frühestens 2025 oder 2026 möglich, abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung und politischer Stabilität.
🇩🇰 Dänemark
Wirtschaftliche Gründe: Die Krone ist fest an den Euro gekoppelt. Wirtschaftlich erfüllt Dänemark alle Kriterien, nutzt jedoch bewusst die geldpolitische Eigenständigkeit.
Politische Gründe und Meinung: Ein Referendum im Jahr 2000 ergab eine klare Ablehnung des Euro. Seither lehnt die Mehrheit den Beitritt ab. Die Regierung respektiert diesen Entscheid.
Rechtlicher Status: Dänemark besitzt eine offizielle Opt-out-Klausel und ist nicht verpflichtet, den Euro einzuführen.
Aktuelle Entwicklung: Keine Einführung geplant. Die politische Lage und öffentliche Meinung sprechen gegen einen Beitritt zur Eurozone.
🇵🇱 Polen
Wirtschaftliche Gründe: Polen profitiert von einem flexiblen Złoty. Die Inflation war zuletzt zu hoch, das Defizit über dem Zielwert. Die Konvergenzkriterien sind nicht erfüllt.
Politische Gründe und Meinung: Die Regierung ist gegen die Einführung, viele Bürger sind skeptisch. Etwa 47 % befürworten den Euro – Tendenz leicht steigend.
Rechtlicher Status: Polen ist verpflichtet, den Euro einzuführen, hat aber keinen festen Zeitrahmen.
Aktuelle Entwicklung: kein konkreter Beitrittsplan. Die Regierung konzentriert sich auf die wirtschaftliche Stabilisierung.
🇷🇴 Rumänien
Wirtschaftliche Gründe: Hohe Inflation und Haushaltsdefizite verhindern die Erfüllung der Kriterien. Die Regierung strebt zudem eine Angleichung des Wohlstandsniveaus an.
Politische Gründe und Meinung: Starke politische Unterstützung für den Euro. Rund 77 % der Bevölkerung befürworten die Einführung.
Rechtlicher Status: Rumänien ist verpflichtet, den Euro einzuführen, sobald die Kriterien erfüllt sind.
Aktuelle Entwicklung: Ziel ist der Beitritt zum WKM II bis 2026 und Euro-Einführung ab 2029. Der Erfolg hängt von wirtschaftlichen Reformen ab.
🇸🇪 Schweden
Wirtschaftliche Gründe: Die Krone ermöglicht eine flexible Geldpolitik. Schweden erfüllt viele Kriterien, vermeidet aber bewusst den WKM-II-Beitritt.
Politische Gründe und Meinung: 2003 sprach sich die Bevölkerung gegen den Euro aus. Aktuell liegt die Zustimmung bei etwa 55 %, ein neuerliches Referendum wäre nötig.
Rechtlicher Status: Schweden ist verpflichtet, den Euro einzuführen, hat aber keinen festen Zeitplan.
Aktuelle Entwicklung: kein konkreter Plan. Die Regierung wartet ab, wie sich Meinung und Wirtschaft entwickeln.
🇨🇿 Tschechien
Wirtschaftliche Gründe: Haushaltsdefizite und Inflation verhindern die Erfüllung der Kriterien. Die Krone dient als wirtschaftlicher Puffer.
Politische Gründe und Meinung: Regierung und Bevölkerung sind gespalten. Die Zustimmung zum Euro steigt, liegt aber unter 50 %.
Rechtlicher Status: Tschechien ist verpflichtet, den Euro einzuführen, sobald die Kriterien erfüllt sind.
Aktuelle Entwicklung: kein offizieller Zeitplan. Interne Debatten laufen, Beitritt vor Ende des Jahrzehnts denkbar.
🇭🇺 Ungarn
Wirtschaftliche Gründe: Hohe Inflation und Defizite verhindern die Erfüllung der Kriterien. Die Regierung sieht derzeit keinen wirtschaftlichen Vorteil im Euro.
Politische Gründe und Meinung: Die Regierung Orbán lehnt die Euro-Einführung ab. Dennoch befürworten rund 76 % der Bevölkerung die Einführung.
Rechtlicher Status: Ungarn ist verpflichtet, den Euro einzuführen, sobald die Voraussetzungen erfüllt sind.
Aktuelle Entwicklung: kein konkreter Zeitplan. Einführung nur bei künftigem Kurswechsel der Regierung realistisch.
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