Österreich ist ein Land der Traditionen: Wir lieben unsere Kaffeehäuser, unsere Bundespräsidenten mit Amtszeiten länger als ein durchschnittlicher Monarch und natürlich unsere U-Ausschüsse. Diese sind eine so fixe Institution wie das jährliche „Wann kommt der Neuwahl-Herbst?“-Ratespiel. Doch wenn man sich die jüngsten U-Ausschüsse so ansieht, dann stellt sich die Frage: Ist das noch parlamentarische Aufklärung oder schon eine Live-Inszenierung von Kafka mit Kabarett-Einlagen?
Mehr noch: Ist der U-Ausschuss nicht eigentlich ein Blackout? Eine politisch-institutionelle Stromnetzüberlastung, die sich in Form von Erinnerungslücken, „Ich kann mich nicht erinnern“-Wiederholungsschleifen und völlig überraschenden Enthüllungen von Dingen, die ohnehin schon alle geahnt haben, äußert? Ich sage: Ja! Und ich erkläre Ihnen auch, warum.
Die plötzliche Dunkelheit: Ein Blackout kommt unerwartet – genau wie die Wahrheit
Ein Blackout ist bekanntlich das abrupte Verschwinden von Licht und Strom. Ein U-Ausschuss hingegen ist das abrupte Verschwinden von Gedächtnisleistungen und Gewissen. Während ein Blackout durch eine Überlastung des Stromnetzes entsteht, passiert ein politischer Blackout durch eine Überlastung von Festplatten, die mit brisanten Chat-Nachrichten vollgestopft sind.
Wie oft schon haben wir erlebt, dass Politiker:innen mit stolzgeschwellter Brust in den Ausschuss spazieren, um dann – zack – von einem Gedächtnis-Blackout getroffen zu werden?
- „Ich kann mich nicht erinnern.“
- „Ich habe das nicht so wahrgenommen.“
- „Das muss in meinem Verantwortungsbereich passiert sein, aber ich war es nicht.“
Diese Sätze sind die politische Version von „Kein Signal“ auf dem Fernseher.
Die Ursache: Zu viele Geräte am Netz (oder zu viele Freunde in hohen Positionen)
Ein Blackout passiert, wenn zu viele Geräte gleichzeitig zu viel Strom ziehen. Der U-Ausschuss wird zur Farce, wenn zu viele alte Netzwerke zu viele Machenschaften vertuschen wollen.
Was verbindet den U-Ausschuss mit einem Stromausfall? In beiden Fällen gibt es eine plötzliche Überforderung. Beim Blackout ist es die Infrastruktur, beim U-Ausschuss sind es die Aussagen der Zeugen.
Wenn dann eine Zeugin oder ein Zeuge mit den Worten „Ich hatte keinen Einfluss darauf“ beginnt, bedeutet das übersetzt meist: „Ich hatte verdammt viel Einfluss, aber ich werde sicher nicht die Person sein, die das zugibt.“
Das Notstromaggregat: Wenn die Parteikollegen aushelfen müssen
Im Falle eines Blackouts hat jeder gut vorbereitete Haushalt ein Notstromaggregat. In der Politik heißen diese Notstromaggregate „Parteisprecher“ oder „Erklärungs-Spin-Doktoren“.
So sieht das dann aus:
- Ein Skandal taucht auf.
- Der U-Ausschuss nimmt seine Arbeit auf.
- Ein Politiker wird befragt und kann sich an nichts erinnern.
- Die Partei eilt zu Hilfe und erklärt den Skandal zum „linken Angriff“, zur „Schmutzkübelkampagne“ oder wahlweise zur „üblichen Empörungskultur“.
Das politische Notstromaggregat springt also an und versorgt die Wähler:innen mit Ausreden, bis sich der Sturm gelegt hat.
Das Funkloch: Kommunikationsprobleme, wenn es brenzlig wird
In Österreich gibt es ein bekanntes Problem: Sobald man sich ein paar Kilometer aus der Stadt entfernt, verschwindet das Handy-Netz. Zufällig passiert genau das auch regelmäßig im U-Ausschuss – nur eben in den Köpfen der Auskunftspersonen.
Die spannendsten Aussagen:
- „Ich wusste davon nichts.“
- „Ich habe die Nachrichten zwar gelesen, aber nicht verstanden.“
- „Das war nicht mein Aufgabenbereich.“
Und natürlich der Klassiker: „Ich hatte dazu keinen Kontakt.“
Was dann folgt, ist oft eine peinliche Rekonstruktion der Wahrheit über Wochen und Monate hinweg – eine Art Reverse-Detektivarbeit, bei der sich langsam herausstellt, dass besagte Personen doch involviert waren. Der Skandal? Wird am Ende vom Medien-Feuerwerk überdeckt und in der kollektiven Müdigkeit der Bevölkerung begraben.
Die Dauer des Blackouts: Man weiß nie, wann er endet
Blackouts sind unberechenbar. Manchmal dauert es nur ein paar Minuten, manchmal Stunden oder gar Tage, bis das Licht wieder angeht.
Genauso ist es mit U-Ausschüssen. Man startet mit großer Euphorie: „Jetzt wird alles aufgeklärt!“ Doch nach ein paar Monaten ist das öffentliche Interesse erschöpft.
Und wenn die Befragungen abgeschlossen sind? Dann passiert meistens Folgendes:
- Der Bericht kommt.
- Die Erkenntnisse sind schockierend.
- Alle sind empört.
- Die Regierung verspricht Konsequenzen.
- Konsequenzen? Natürlich keine.
- Nächster Skandal, bitte!
Ein Blackout hinterlässt oft Schäden, die erst später sichtbar werden – genau wie ein U-Ausschuss.
Die Verschwörungstheorien: Wer hat das Licht ausgeschaltet?
Jeder große Blackout bringt Verschwörungstheoretiker auf den Plan: War es ein Hackerangriff? Ein EMP? Die Illuminati?
Im U-Ausschuss ist es ähnlich: Wer hat wen gedeckt? Welche Chats fehlen? Warum gibt es plötzlich Festplatten mit Wasserschaden?
Theorien entstehen schneller, als sie widerlegt werden können. Und während die Bevölkerung noch nach Antworten sucht, hat das politische System schon längst die nächste Nebelkerze gezündet.
Fazit: Österreichs parlamentarische Blackouts sind vorhersehbar – und doch unterhaltsam
Der U-Ausschuss ist also tatsächlich eine Art Blackout:
- Er kommt plötzlich.
- Niemand will verantwortlich sein.
- Das Chaos ist groß.
- Am Ende weiß niemand, wie es wirklich passiert ist.
- Die Schäden werden ignoriert, bis zum nächsten Mal.
Und doch hat der U-Ausschuss einen unschätzbaren Wert: Er ist eine der letzten Bastionen echter politischer Unterhaltung. Denn wenn schon keine Konsequenzen folgen, dann zumindest ein bisschen Satire-Material für die nächste Diskussion im Wirtshaus.
Bis zum nächsten Blackout – pardon – U-Ausschuss!
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