In einer Zeit, in der Desinformation, politische Schlagseiten und Meinungsmache fast zur Tagesordnung gehören, ist der Zugang zu objektiver, faktenbasierter Berichterstattung wichtiger denn je. Doch genau hier stoßen wir auf ein Paradoxon: Das ORF-Gesetz – das eigentlich für Qualität, Ausgewogenheit und Informationsvielfalt sorgen soll – bremst den öffentlich-rechtlichen Rundfunk massiv aus.
Denn laut ORF-Gesetz darf der ORF auf seiner Startseite nur eine begrenzte Anzahl an Nachrichtenmeldungen täglich veröffentlichen. Und das ist nicht nur bürokratischer Unsinn – es ist auch demokratiepolitisch brandgefährlich.
Wenn Klicks über Inhalte entscheiden
Private Nachrichtenportale wie oe24.at oder heute.at dominieren mit reißerischen Schlagzeilen, gezielter Stimmungsmache und klarer politischer Schlagseite. Ihre Position: eher rechts der Mitte, manchmal auch weit darüber hinaus. Inhalte zu Themen wie Klimaschutz, Diversität oder Inklusion werden dort gerne als „ideologische Übertreibung“ dargestellt – sofern sie nicht gleich völlig abgewertet oder ins Lächerliche gezogen werden.
Objektivität? Fehlanzeige.
Dabei wirken diese Plattformen oft wie ein laut schreiendes Sprachrohr für das, was man „rechten Populismus“ nennen könnte – und trotzdem beschweren sich genau diese Medien über den ORF. Warum? Weil ihnen die schiere Existenz von objektiver Berichterstattung ein Dorn im Auge ist. Denn wenn Menschen beginnen, selbst zu denken und verschiedene Perspektiven zu lesen, verliert Meinungsmache an Kraft.
Paywalls, Logins und digitale Hürden
Auf der anderen Seite stehen viele liberale und linke Medienhäuser. Sie sind meist objektiver, faktenorientierter – und setzen auf Qualität statt Clickbait. Das Problem: Viele dieser Artikel sind hinter Paywalls oder Login-Zwang versteckt. Wer fundierte Analysen oder kritische Kommentare lesen will, muss zahlen oder sich registrieren. Gerade bei sensiblen politischen Themen wirkt das oft wie eine gewollte Barriere: Wer sich nicht namentlich registrieren möchte, bleibt draußen.
Das Ergebnis: Während rechte Meinungsmacher lautstark ihre Weltsicht in die Masse ballern, verkommen hochwertige Inhalte zu einem Luxusgut – und die Mitte der Gesellschaft steht im Informationsregen.
Warum gewisse Parteien den ORF fürchten
Gerade rechte Parteien haben ein offensichtliches Interesse daran, orf.at weiter einzuschränken – und zwar aus einem simplen Grund: Sie kommen dort nicht gut weg.
Im Gegensatz zu Boulevardportalen wie oe24 oder heute, wo Politiker:innen dieser Parteien oft mit Samthandschuhen angefasst – oder sagen wir’s direkt: medial gebauchpinselt – werden, liefert der ORF sachliche Berichterstattung ohne devotes Schulterklopfen.
Und das passt vielen Rechten gar nicht. Denn wer keine kritischen Fragen mag, wer lieber Hofberichterstattung als Journalismus will, dem ist ein unabhängiger ORF ein Dorn im Auge. Die Strategie: den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kleinhalten, schlechtreden und mit neuen Gesetzesvorschlägen weiter an der Informationsfreiheit sägen.
Weil ein starker ORF unbequem ist – aber genau das braucht eine Demokratie.
Die absurde Einschränkung für den ORF
Und mitten in dieser Schieflage gibt es den ORF – unseren öffentlich-rechtlichen Rundfunk, finanziert durch Gebühren, mit dem klaren Auftrag zur ausgewogenen Information. Doch ausgerechnet der ORF darf laut Gesetz auf seiner eigenen Website nicht frei berichten, sondern wird limitiert auf eine fixe Anzahl an Nachrichten pro Tag.
Was wie ein absurdes Detail klingt, hat gravierende Folgen:
Menschen, die sich kostenlos, schnell und unabhängig informieren wollen, stoßen auf ein künstlich gedrosseltes Nachrichtenangebot. Die Zahl der Themen ist begrenzt, wichtige Entwicklungen werden oft gar nicht erst erwähnt oder verschwinden schnell wieder von der Startseite.
Und warum das Ganze? Weil gewisse Verlagshäuser Angst haben, dass ihnen der ORF die Klicks „wegnimmt“. Aber es geht hier nicht um Marktanteile – es geht um freien Zugang zu Information. Um Demokratie. Um Grundrechte.
Zeit für ein Re-Update: Ein ORF-Gesetz für das 21. Jahrhundert
Es ist höchste Zeit, das ORF-Gesetz neu zu denken – und zwar aus der Perspektive der Bürger:innen, nicht der Verlagshäuser.
Der ORF sollte nicht beschnitten, sondern gestärkt werden. Er sollte mehr, nicht weniger berichten dürfen. Und vor allem: niederschwellig, frei zugänglich und digital zeitgemäß. Es braucht keinen Schutz der Meinungsindustrie, sondern den Schutz unserer Informationsfreiheit.
Denn wer sich heute über Politik, Umwelt oder gesellschaftliche Themen informieren will, darf nicht gezwungen sein, entweder auf ideologisch gefärbte Seiten auszuweichen oder ein Abo abzuschließen, das man sich vielleicht gar nicht leisten kann.
Information darf kein Privileg sein. Und schon gar nicht das von jenen, die ihre Meinung als Wahrheit verkaufen.
Weg mit den Parteisoldat:innen
Eines der größten strukturellen Probleme beim ORF ist der Stiftungsrat – genauer gesagt: die Parteisoldat:innen, die dort auf Zuruf ihrer Fraktionen sitzen.
Diese „unabhängigen“ Gremienmitglieder sind in Wahrheit meist nichts anderes als verlängerte Arme ihrer Parteien, ausgestattet mit politischem Auftrag und parteitreuem Stimmverhalten. Es geht ihnen selten um Inhalte, nie um Objektivität und schon gar nicht um das Publikum.
Diese Machtstruktur macht den ORF erpressbar, abhängig und zum Spielball parteipolitischer Interessen. Wer den ORF wirklich reformieren will, muss als Erstes diese Postenschacher-Politik beenden.
Alle parteinahen Board-Mitglieder gehören entfernt – ersatzlos. Stattdessen braucht es echte Unabhängigkeit, Transparenz und Personen, die den öffentlich-rechtlichen Auftrag verstehen: Für die Gesellschaft zu arbeiten – nicht für eine Partei.
Fazit
Dass sich ausgerechnet Medien wie oe24 und heute über den ORF beschweren, ist in etwa so, als würde sich ein Fast-Food-Konzern über das Angebot gesunder Ernährung in Schulen aufregen.
Wer objektive, neutrale Berichterstattung wirklich fördern will, sollte nicht den einzigen Anbieter, der das noch halbwegs erfüllt, einschränken – sondern ihn befähigen, seiner Verantwortung voll und ganz nachzukommen.
Das ORF-Gesetz muss dringend überarbeitet werden. Nicht, um dem ORF Macht zu geben – sondern um uns allen den Zugang zu echter, unabhängiger Information zu ermöglichen.
Denn: Wer heute nicht weiß, was wirklich passiert, wird morgen nicht mehr wissen, was falsch läuft.
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