Die neue Seuche Wiens: Möchtegern-Lokal- und Food-Tester und ihre gekauften Lobhudeleien
In Wien wuchert ein seltsames Phänomen: selbsternannte Lokal- und Food-Tester:innen, die keine Ahnung vom Essen haben, aber dafür gratis speisen wollen. Ihre gekauften Reviews loben schlechtes Essen und miesen Service in den Himmel – Hauptsache, das Essen kostet sie selbst nichts.
Veröffentlicht: 11/04/25
Verfasst von:Daniel

Wien, du wunderschöne Stadt mit deiner kulinarischen Vielfalt, deinen charmanten Beisln, hippen Lokalen und traditionsreichen Gasthäusern – du hast wahrlich Besseres verdient als das, was sich da derzeit auf Social Media zusammenbraut: eine neue Spezies selbsternannter „Lokal- und Food-Tester:innen“, die weder Geschmack noch Anspruch besitzen, dafür aber einen unstillbaren Hunger nach Aufmerksamkeit und – ganz wichtig – gratis Essen.

Wenn Geschmack zur Nebensache wird

Wer sich in letzter Zeit durch Instagram, TikTok oder die Social-Media-Profile gewisser „Tester:innen“ klickt, wird sie sofort erkennen: Die vermeintlichen Feinschmecker:innen, die mit schiefem Lächeln, schlechtem Licht und null Kulinarik-Kompetenz Gerichte lobpreisen, die in Wahrheit nicht einmal in der Betriebskantine einer mittelgroßen Baufirma als akzeptabel durchgehen würden.

Sie schreiben von „geschmacklicher Explosion“, während das Gulasch aussieht wie aufgewärmte Schuhsohle. Sie feiern das „stylishe Interior“, während man sich fragt, ob das Mobiliar aus der Konkursmasse eines 90er-Jahre-Sexshops stammt. Sie schwärmen vom „superfreundlichen Service“, während das Personal beim Gruß nicht einmal von ihrem Handy aufschaut.

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Das Muster ist immer gleich: Ein neues (oder verzweifeltes) Lokal öffnet, hat keine Stammkundschaft, dafür aber ein paar Euro Werbebudget oder ein paar freie Sitzplätze, und schon trudeln die DMs dieser sogenannten Tester:innen ein. Frei nach dem Motto: â€žWir kommen zu zweit, machen schöne Fotos und eine Story, wenn wir dafür gratis essen dürfen.“ Und die Lokale, aus Mangel an besseren Alternativen oder Naivität, machen den Deal.

Was folgt, ist eine Rezension, so geschönt und falsch, dass sie als Satire durchgehen könnte – wäre sie nicht so peinlich ernst gemeint. Und damit nicht genug: Auf ihren Plattformen wird fleißig mit Superlativen um sich geworfen, natürlich mit den immer gleichen Buzzwords: „hidden gem“, „authentic vibes“, „must try“. Alles gelogen, alles gekauft.

Die Wahrheit zeigt sich am Teller – und auf Google Maps

Wer sich dann von diesen Reviews in eines dieser Lokale locken lässt, macht schnell eine bittere Erfahrung: das Essen ist schlecht, das Service genervt, das Ambiente trist. Und plötzlich merkt man: Diese Rezensionen wurden nicht aus Überzeugung gepostet, sondern aus Gier. Die sogenannten „Lokal- und Food-Tester:innen“ verkaufen ihr Urteil für ein gratis Schnitzel oder einen Cocktail auf Haus.

Was sie dabei vergessen: Auf Google Maps steht oft die ungeschönte Wahrheit. Dort schreiben echte Gäste, die tatsächlich bezahlt haben. Die keine Gratis-Menüs, keine Kooperationen, keine influenceresken Absprachen im Hintergrund haben. Und genau dort liest man dann von kaltem Essen, langen Wartezeiten und liebloser Atmosphäre. Es ist beinahe absurd, wie stark sich die Social-Media-Propaganda und die Google-Bewertungen voneinander unterscheiden – ein Abbild der Realität vs. ein inszenierter Werbefilm.

Von Verantwortung keine Spur

Was besonders dreist ist: Diese Leute nehmen keinerlei Verantwortung für ihr Tun. Sie sind sich nicht zu schade, kleine Betriebe mit ihren Lügenbewertungen künstlich zu pushen – und dann im schlimmsten Fall wieder fallen zu lassen, sobald der gratis Nachtisch versiegt. Sie tragen mit ihrer gekauften Fake-Authentizität aktiv dazu bei, dass ehrliche Gastronom:innen im Schatten stehen, weil sie sich eben nicht kaufen lassen.

Und ja, natürlich ist es einfach, sich durch Wien zu essen, wenn man nicht zahlen muss. Natürlich macht es mehr Spaß, einen Hype zu erfinden, als echte Kritik zu üben. Aber wer sich als „Lokal- und Food-Tester:in“ bezeichnet, hat auch eine Verantwortung – gegenüber Konsument:innen, der Gastronomie und dem eigenen Anstand. Wenn denn überhaupt noch ein Funke davon vorhanden ist.

Eine Branche wird zur Karikatur

Das größte Problem aber ist: Diese Art des „Testens“ verkommt zur Karikatur. Echte Kritik? Fehlanzeige. Kulinarisches Verständnis? Nicht vorhanden. Objektivität? Nur dann, wenn der Geldbeutel geschlossen bleibt. Die Social-Media-Profile dieser Gestalten gleichen Werbeflächen, gesponsert von jenen Lokalen, die es nicht anders verdient haben, weil sie lieber auf Glanz-Content statt Qualität setzen.

Der Appell: Lass dich nicht verarschen!

Wenn du das nächste Mal auf eine dieser euphorischen Reviews stößt, frag dich: Wurde hier wirklich ehrlich getestet oder nur billig promotet? Schau auf die Bilder. Lies die Kommentare. Und vor allem: Schau auf Google Maps. Dort schreiben Menschen wie du. Menschen, die dort waren, gezahlt haben – und ehrlich sind.

Denn am Ende gilt wie so oft: Wer alles umsonst will, hat meistens keinen echten Wert zu bieten. Und wer sich für ein Gratis-Menü kaufen lässt, verkauft nicht nur seine Glaubwürdigkeit – sondern auch den letzten Funken Authentizität, den die Wiener Gastro-Szene so dringend braucht.

Willkommen in Wien. Und pass auf, wem du glaubst.

Daniel

Daniel, ein 80er-Jahrgang mit 90er-Jahre-Vibes aus dem Burgenland, hatte schon als Kind mehr Ideen, als die Tapeten Platz boten. Technologie fand er cooler als jedes Tamagotchi. Sein Plan: Die Welt ein bisschen bunter machen und dabei nicht auf zu viele Regeln achten.

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verfasst von: Daniel

veröffentlicht am: 11. April 2025

Daniel, ein 80er-Jahrgang mit 90er-Jahre-Vibes aus dem Burgenland, hatte schon als Kind mehr Ideen, als die Tapeten Platz boten. Technologie fand er cooler als jedes Tamagotchi. Sein Plan: Die Welt ein bisschen bunter machen und dabei nicht auf zu viele Regeln achten.

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