In Österreich sind Verkehrsstrafen aktuell als fixe Bußgelder festgelegt. Das bedeutet, dass alleinerziehende Personen mit niedrigem Einkommen dieselbe Strafe zahlen müssen wie jemand im Topmanagement mit sechsstelligem Gehalt. Doch ist das wirklich gerecht? Während die eine Person durch ein einziges Bußgeld in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten kann, ist es für eine wohlhabendere Person oft nur eine unbedeutende Summe, die keinen nachhaltigen Eindruck hinterlässt.
Ein gerechteres System könnte ein prozentual berechnetes Strafmaß sein, das sich am Nettogehalt der Verkehrssünder:innen orientiert. Ein solches Modell würde nicht nur soziale Fairness fördern, sondern hätte auch eine deutlich abschreckendere Wirkung auf wohlhabendere Autofahrer:innen. Diese hätten nicht mehr die Möglichkeit, sich Verstöße gegen die Verkehrsordnung einfach zu „leisten“, während einkommensschwächere Personen unter der aktuellen Regelung besonders leiden.
Die Ungleichheit des aktuellen Systems
Das derzeitige Bußgeldsystem bevorzugt indirekt wohlhabendere Personen, weil die absolute Höhe der Strafen für sie finanziell kaum ins Gewicht fällt. Dadurch entsteht eine erhebliche Ungleichheit, die das Grundprinzip der Gerechtigkeit im Verkehrssystem infrage stellt.
- Soziale Ungerechtigkeit: Fixe Strafen belasten Menschen mit geringem Einkommen unverhältnismäßig stark. Wer ohnehin wenig verdient, muss unter Umständen einen großen Teil seines Monatsbudgets aufbringen, um eine Strafe zu begleichen. Dies kann in extremen Fällen sogar existenzbedrohend sein, insbesondere wenn das Auto für den Weg zur Arbeit oder zur Kinderbetreuung dringend benötigt wird.
- Mangelnde Abschreckung: Für Wohlhabende sind viele Strafen kaum spürbar, während sie für andere existenzgefährdend sein können. Wer ein Einkommen von mehreren Tausend Euro pro Monat hat, wird von einer Strafe in Höhe von beispielsweise 50 oder 100 Euro kaum beeindruckt sein.
- Kein Anreiz für verantwortungsbewusstes Fahren: Wenn ein:e Millionär:in denselben Betrag zahlt wie jemand mit Mindestlohn, wird der Abschreckungseffekt weitgehend aufgehoben. Stattdessen entsteht sogar der gegenteilige Effekt: Wohlhabendere Personen können sich regelmäßige Verstöße „leisten“, weil die finanziellen Konsequenzen minimal sind. Dies steht im klaren Widerspruch zum Ziel, den Straßenverkehr sicherer zu machen.
Vorteile eines prozentualen Systems
Ein einkommensabhängiges Bußgeldsystem könnte erhebliche Verbesserungen bringen und viele Probleme des aktuellen Modells lösen.
- Fairness: Strafen wären für alle gleich spürbar, unabhängig vom Einkommen. Wer viel verdient, zahlt einen höheren absoluten Betrag, während Geringverdiener:innen nicht unverhältnismäßig hart getroffen werden.
- Bessere Lenkungswirkung: Verkehrssünder:innen mit hohem Einkommen würden stärker dazu angehalten, sich an die Regeln zu halten. Sie könnten nicht länger Verstöße als belanglose Ausgaben betrachten, sondern müssten sich real mit den Konsequenzen ihres Handelns auseinandersetzen.
- Mehr Akzeptanz: Eine gerechtere Regelung würde in der Bevölkerung vermutlich auf mehr Verständnis stoßen. Viele Menschen empfinden es als ungerecht, dass wohlhabendere Verkehrssünder:innen ihre Verstöße finanziell leicht verkraften, während andere hart bestraft werden.
- Erfolgreiche Beispiele: Finnland setzt bereits auf ein solches Modell mit positiven Ergebnissen. Dort werden Strafen anteilig am Einkommen berechnet, was bereits dazu geführt hat, dass wohlhabendere Verkehrssünder:innen erhebliche Beträge zahlen müssen – in einem bekannten Fall beispielsweise 54.000 Euro für eine Geschwindigkeitsübertretung.
Herausforderungen und Lösungsansätze
Natürlich gibt es auch Herausforderungen, die es zu bewältigen gilt, wenn ein prozentuales System eingeführt werden soll.
- Problematik ausländischer Fahrer:innen: Eine EU-weite Datenbank könnte hier Abhilfe schaffen. Momentan gibt es kaum Möglichkeiten, Verkehrssünder:innen aus dem Ausland angemessen zu belangen, da in vielen Fällen die Identität nicht festgestellt werden kann.
- Gesetzliche Hürden: Das EU-Gesetz von 2005 erlaubt erst ab 70 € eine grenzüberschreitende Vollstreckung, was eine Reform erfordern würde. Es wäre notwendig, dieses Gesetz zu überarbeiten, um eine konsequentere Durchsetzung von Strafen zu ermöglichen.
- Ausforschung der Lenker:innen-Daten: Eine EU-weite Vereinfachung der Fahrer:innen-Daten-Ermittlung könnte helfen, ein gerechteres System zu etablieren. Ein entsprechendes Gesetz liegt bereits seit 2008 auf Eis, obwohl es das Potenzial hätte, die Effizienz der Strafverfolgung erheblich zu verbessern. Eine politische Initiative könnte hier neue Bewegung in die Debatte bringen. Was jedoch mit den erzkonservativen Regierungen in Europa aktuell nicht möglich erscheint.
Rechenbeispiel
Ein mögliches Modell könnte Bußgelder je nach Schwere des Vergehens zwischen 1 % und 25 % des Nettogehalts vorsehen. Anhand zweier realitätsnaher Beispiele lässt sich dies veranschaulichen:
- Fall a) Alleinerziehender Elternteil mit 1.700 € Netto-Monatsgehalt:
- Geringfügiger Verstoß (z. B. Falschparken) – 1 % des Gehalts: 17 €
- Mäßig schwerer Verstoß (z. B. 20 km/h zu schnell) – 5 % des Gehalts: 85 €
- Schwerer Verstoß (z. B. Alkohol am Steuer) – 25 % des Gehalts: 425 €
- Fall b) Topmanager:in mit 30.000 € Netto-Monatsgehalt:
- Geringfügiger Verstoß – 1 % des Gehalts: 300 €
- Mäßig schwerer Verstoß – 5 % des Gehalts: 1.500 €
- Schwerer Verstoß – 25 % des Gehalts: 7.500 €
Dieses Beispiel zeigt deutlich, dass eine prozentuale Berechnung für alle Verkehrssünder:innen eine angemessene finanzielle Belastung darstellt. Während eine fixe Strafe für den oder die Topmanager:in oder Politker:in kaum Auswirkungen hätte, würde eine solche Regelung sicherstellen, dass das Bußgeld für alle spürbar ist und eine abschreckende Wirkung entfaltet.
Fazit
Ein prozentuales Bußgeldsystem würde nicht nur mehr Gerechtigkeit schaffen, sondern auch eine wirksamere Abschreckung gegen Verkehrsdelikte bewirken. Die derzeitige Regelung benachteiligt Geringverdiener:innen und bevorzugt indirekt wohlhabendere Verkehrsteilnehmer:innen, was langfristig zu einer ungerechten Verteilung von Strafen führt. Eine EU-weite Reform wäre notwendig, um dieses Modell flächendeckend umzusetzen. Die Vorteile überwiegen klar, und Österreich sollte sich ein Beispiel an Ländern wie Finnland nehmen, die bereits erfolgreich mit diesem Konzept arbeiten.



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