Österreich, das Land der schönen Alpen, der Gemütlichkeit und… des unfreiwilligen Glaubensbekenntnisses. Denn obwohl viele gar nie bewusst der römisch-katholischen Kirche beigetreten sind, stecken sie trotzdem drin. Und wieder rauszukommen, ist alles andere als einfach.
Die Zwangsmitgliedschaft, von der du nichts wusstest
Für viele beginnt das „Mitglieds-Abenteuer“ nicht aus Überzeugung, sondern mit einem kirchlichen Ritual: der Taufe. In der Regel wird man als Baby getauft – ohne eigene Entscheidung, ohne Zustimmung, einfach so. Und zack: Mitglied in einem jahrhundertealten Verein mit Milliardenvermögen, zweifelhaften Machtstrukturen und einem sehr effizienten Beitragssystem, das sich „Kirchensteuer“ nennt.
Dass dieser Beitritt lebenslange Konsequenzen hat, merkt man spätestens dann, wenn man Lohnzettel liest oder ein Brief von der Diözese ins Haus flattert. Willkommen im Club, den du nie gewählt hast.
Der Weg hinaus: Ein bürokratischer Spießrutenlauf
Man könnte meinen, ein Austritt wäre so einfach wie ein Netflix-Abo kündigen. Aber nein. Wer in Österreich aus der Kirche austreten will, muss sich auf eine kleine Odyssee einstellen – mit viel Papier, Gebühren und absurden Anforderungen.
Zuerst einmal brauchst du einen Nachweis, dass du überhaupt Mitglied bist. Ja, du musst belegen, dass du Teil eines Systems bist, dem du nie aktiv beigetreten bist. Klingt wie ein schlechter Scherz? Ist aber Realität.
Der Weg führt meist zur Bezirkshauptmannschaft oder zum Magistrat. Dort darfst du dann erklären, dass du raus willst – und idealerweise deine Taufbestätigung mitbringen. Wenn du die nicht hast, musst du sie mühsam bei der Pfarre organisieren, in der du (oft als Baby) getauft wurdest. Manche Pfarren verlangen sogar eine Gebühr für die Ausstellung. Austritt aus einem Milliardenkonzern gegen Bezahlung deinerseits. Klingt fair, oder?
Was kostet der Austritt wirklich?
Der Kirchenaustritt selbst ist grundsätzlich kostenlos. Es fallen jedoch Gebühren an, wenn du eine schriftliche Austrittsbestätigung von der Behörde möchtest – und diese wird oft für offizielle Zwecke benötigt. Je nach Bundesland liegt diese zwischen 2,10 und 16,80 Euro. Wichtig zu wissen: Alle offenen Kirchenbeiträge bis zum Tag des Austritts müssen nachträglich noch bezahlt werden. Ein Austritt entbindet also nicht von bestehenden finanziellen Verpflichtungen – erst ab dem offiziellen Austrittsdatum bist du beitragsfrei.
Was bedeutet der Austritt für dich?
Ein Kirchenaustritt hat auch Auswirkungen auf bestimmte kirchliche Rechte und Rollen. Nach dem Austritt kannst du nicht mehr als Taufpat:in fungieren, da dies laut Kirche ein aktives Mitglied voraussetzt. Auch der Anspruch auf eine kirchliche Hochzeit entfällt, ebenso wie die Möglichkeit einer kirchlichen Beerdigung. Diese Konsequenzen sind nicht gesetzlich geregelt, sondern beruhen auf internen kirchlichen Vorgaben. Wer jedoch mit diesen Ritualen ohnehin nichts mehr anfangen kann, für den sind diese „Verluste“ eher symbolischer Natur.
Emotionale Erpressung inklusive
Wer den Schritt wagt, muss sich auch auf fragwürdige moralische Keulen gefasst machen. Manche Pfarren schicken dir danach einen „Abschiedsbrief“, in dem sie deinen Entschluss bedauern, für dich beten oder dich einladen, doch wieder zurückzukehren. Andere erinnern dich daran, dass du nach dem Austritt keine kirchliche Hochzeit oder Beerdigung mehr bekommst. Eine subtile Art von Druck, getarnt als „pastorale Fürsorge“.
Die große Frage: Warum so kompliziert?
Warum ist das alles so schwer? Weil es so gedacht ist. Je höher die Hürden, desto weniger Leute machen den Schritt. Und je mehr Leute bleiben, desto mehr Einnahmen gibt es für die Kirche. Das ist keine Verschwörungstheorie, sondern ein sehr effizientes Geschäftsmodell.
Dabei wäre es so einfach: Wer nicht bewusst eintritt, sollte auch nicht drin sein. Und wer raus will, sollte das online, gebührenfrei und ohne Nachweis tun können. Alles andere ist ein Anachronismus, der einer modernen Demokratie nicht würdig ist.
Das eigentliche Problem: Die automatische Zugehörigkeit
Der Kern des Problems liegt aber nicht nur in der Austrittsprozedur, sondern in der Tatsache, dass man überhaupt als Baby in dieses System „eingeschrieben“ wird – ohne Wissen, ohne Zustimmung, ohne Chance auf Mitsprache.
In jedem anderen Lebensbereich würde man das als Zwangsmitgliedschaft bezeichnen. In Österreich nennt man es Tradition.
Zeit für digitale Freiheit: Politik muss handeln
Es ist höchste Zeit, dass auch die Politik Verantwortung übernimmt. In einer Ära, in der du deine Steuererklärung online machen, dein Auto digital anmelden und sogar amtliche Dokumente per Handy-Signatur unterschreiben kannst, wirkt der analoge Kirchenaustritt wie ein Relikt aus dem Mittelalter. Warum also nicht auch diesen Schritt digitalisieren? Die ID Austria bietet längst die technischen Möglichkeiten, um sich sicher und rechtsgültig online aus Systemen abzumelden. Ein Kirchenaustritt mit ein paar Klicks – ohne Gebühren, ohne Amtsweg, ohne absurde Nachweispflichten – wäre ein logischer und überfälliger Schritt in Richtung echter Glaubensfreiheit. Was fehlt, ist der politische Wille. Hier braucht es Mut, Klarheit und ein klares Signal: Der Staat steht auf der Seite der Bürger:innen – nicht auf der der Kirchenbürokratie.
Fazit: Glaube soll frei sein – der Austritt auch
Niemand sollte gezwungen sein, sich aus einem System herauszukämpfen, dem er nie beigetreten ist. Der Glaube ist etwas Persönliches, etwas Freiwilliges – oder sollte es zumindest sein. Der Umgang mit Kirchenaustritten in Österreich zeigt leider genau das Gegenteil: ein Machtapparat, der auf Kontrolle, Bürokratie und Hürden setzt.
Wer wirklich an Freiheit glaubt – auch an Glaubensfreiheit – der muss sich für ein System einsetzen, in dem niemand ohne bewusste Entscheidung Teil einer Institution wird. Und in dem der Austritt nicht schwerer ist als ein Login bei einer Streamingplattform.
Solange das nicht so ist, bleibt der Kirchenaustritt in Österreich ein Paradebeispiel dafür, wie schwer es sein kann, sich von alten Machtstrukturen zu lösen – selbst in einem modernen Staat.
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